Birgit Graschopf auf der Parallel Vienna 2017

Birgit Graschopf auf der Parallel Vienna 2017

Birgit Graschopf Parallel Vienna 2017

 

Nocturnal

Birgit Graschopf

 

Im Rahmen ihrer Präsentation bei der Parallel 2017 zeigte die Galerie Rudolf Leeb neue Arbeiten der in Wien lebenden Künstlerin Birgit Graschopf. Die Fotoserien Untitled / ReAkt (2017) und Untitled / Nocturnal (2016–17) sind dem Thema des „Nachtstücks“ gewidmet, wobei dieses neu interpretiert und um den Aspekt des Performativen erweitert wird.

Für die Langzeitbelichtungen mit dem Titel ReAkt hat sich die Künstlerin selbst inszeniert und Posen bekannter Aktdarstellungen der Kunstgeschichte nachgestellt, mit Belichtungszeiten von bis zu fünf Stunden. Unvermeidbare Bewegungen des Körpers während der langen Sitzungen und das Verhüllen des Körpers mit schwarzem Stoff stören den Prozess der fotografischen Einschreibung und führen zu Unschärfen und einer Art „Durchsichtigkeit“ der Figuren. Man fühlt sich an frühe Daguerreotypien erinnert. Diese „geisterhaften Spuren“ veranschaulichen auf eindringliche Weise den in der Fotografie stattfindenden Prozess der Einschreibung, den der Begriff selbst in sich trägt – Photo-graphie, das Schreiben mit Licht. Durch die Belichtung auf opakem Material wie Schleifpapier oder der Wand selbst wird dieser Effekt an der Bildoberfläche noch verdichtet und führt zu unerwarteten Ergebnissen.

Das Wechselverhältnis zwischen der Geste des Zur-Schau-Stellens und der Verweigerung ist im Sinne einer feministischen Lesart zu verstehen, denn die Künstlerin selbst bestimmt, was sie bereit ist zu zeigen. So konterkariert sie die Rolle des traditionell passiven, weiblichen (Akt)Modells und der Frau als Objekt der Kunst. Graschopf ist beides, Akteurin und Inszenierende, Künstlerin und Modell ihrer Fotografien. Wie sie selbst sagt: „Der Körper wird zu einem Gefäß, zu einer Hülle – ein Versuch der Verweigerung des Angeblickt-werdens.“ Besonders anschaulich wird dieser Aspekt in der Wandbelichtung mit dem Titel Untitled / ReAkt, die die Künstlerin anlässlich der Parallel eigens für diesen zum Abriss bestimmten Ort mit seiner wunderbaren Aussicht realisiert hat. Das Sich-dem-Blick entziehen ist hier auf die Spitze getrieben; der Kopf der Figur, die den realen Ausblick aus dem Fenster aufzunehmen scheint, ist kaum mehr zu erkennen. Die analoge Technik der Wandbelichtung ist ein aufwändiger Prozess, ein Balanceakt mit nicht immer vorhersehbarem Ausgang.

Mit Passeggio greift Birgit Graschopf die Gesten des Zeigens und Verbergens erneut auf und übersetzt die technische Einschreibung der Fotografie in ein anderes Medium. Es handelt sich um händisch mit Grafit geschwärztes Papier. Die Konturen der Motive werden aus dem Bildträger buchstäblich herausgearbeitet und erlangen ihre Sichtbarkeit erst durch die „Verletzung“ bzw. Wegnahme des Materials, nämlich in Form von Nadelstichen, deren Perforierungen an Bildpunkte in digitaler Fotografie erinnern. Diese eigensinnige Form der materiellen „Bildwerdung“ findet ihre Entsprechung in dem vervielfachten und multiperspektivisch dargestellten Motiv der dunklen Passage, an deren Ende Licht ist. Im Gegensatz zu den opaken Schleifpapierarbeiten verstärkt die reflektierende Oberfläche des Grafits den ephemeren Charakter der Zeichnung. Das Bild selbst fordert die Interaktion und Bewegung der Betrachter_innen im Raum, um überhaupt sichtbar zu werden.

Text und Kuration: Georgia Holz 

 

Birgit Graschopf Parallel Vienna 2017   Birgit Graschopf Parallel Vienna 2017
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Birgit Graschopf Parallel Vienna 2017