Michaela Putz, Untitled, Turgenialatifolia, 2023

    • Michaela Putz

      Michaela Putz studierte an der Universität für angewandte Kunst (Master of Art&Science) sowie Kommunikations- und Politikwissenschaften an der Universität Wien. In ihrer multimedialen Arbeit beschäftigt sie sich mit den Themen Found- Footage, Archiv und (zukünftige) Erinnerungen im Kontext digitaler Entfremdung. In ihren aktuellen Arbeiten geht es auch um die Frage, ob Verlorenes digital fortbestehen kann sowie spekulative zukünftige Reproduktionen des durch menschliche Eingriffe verursachten globalen Artensterbens. Dabei erweitert sie die Verwendung fotografischer Bilder durch (digitale und analoge) Malerei und setzt diese auch in Rauminstallationen und Objekten um.

      Fotocredit: Portraitfoto Michaela Putz by Laura Sperl 2023

    In Zusammenarbeit mit dem Vienna Collectors Club
    zeigen wir eine Auswahl an Arbeiten von Michaela Putz.

    FRAGMENTARIUM

    Von 25. Jänner bis 17. März 2024 - Dienstag bis Donnerstag 12:00 - 17:00 Uhr

    Vienna Collectors Club
    1010 Wien, Herrengasse 6-8/2/7

    Werkliste FRAGMENTARIUM >>>

    In der Werkserie COLLECTED beschäftigt sich Michaela Putz mit dem kontinuierlichen Aussterben der heimischen Pflanzenwelt. Ausgangspunkt der künstlerischen Recherche ist die Rote Liste der Farn- und Blütenpflanzen
    Österreichs. Die Künstlerin belichtet von Screens abfotografierte Bilddaten als C-Prints aus, beschneidet diese und kreiert dabei neue Formen, manchmal den
    Umrissen von Blüten folgend, ein anderes Mal eigene organische Wesen schaffend.
    Rückstände auf dem Screen, Cursor oder gewollte Unschärfen sind Teil dieser Arbeiten, die als florale Collagen neu ins fotografische Archiv der Menschheit eingehen. Die reale Welt verschwindet, was bleibt sind digitale Bilddateien, ob reale Abbildungen oder künstlerisch verfremdet, das wird letztlich die Nachwelt für sich selbst herausfinden müssen.

    Text von Birgit Laback zur Ausstellung >>>

    Der Vienna Collectors Club ist ein Kunstverein mit dem Ziel, aufstrebende KünstlerInnen zu unterstützen und zu fördern, indem er eine Plattform für den Austausch und die Kommunikation mit einem lokalen Netzwerk von SammlerInnen aufbaut.

    „Chambre d‘Amis“ Konzept
    Die interventionistischen und installativen Präsentationen, die der medialen und konzeptuellen Vielfalt künstlerischer Zugänge entsprechen, folgen in abgewandelter Form der hier übertragenen Idee des „Chambre d‘Amis“, dem Zeigen von Kunst in Räumen mit halb-privatem Charakter, in einem Zimmer für Gäste, BewohnerInnen (Hochhaus Herrengasse), Freunde oder Kolleginnen und Kollegen.

    Bei diesem Thema geht es um Räume, die nicht dezidiert für Kunst konzipiert wurden, jedoch als Orte betrachtet werden können, an denen sich die persönliche Begegnung mit Kunst als Teil des gesellschaftlichen Lebens zeigt, in kleinen Kreisen der direkte Austausch über Kunst befördert wird und sich auf diese Weise die Verbindung von Kunst und Leben verdichtet.

    Abb.: Michaela Putz, Untitled (Turgenia latifolia), 2023

    Birgit Laback

    Mit Fragmentarium zeigt die aktuelle Ausstellung des Vienna Collectors Club Arbeiten der Serie Collected der Künstlerin Michaela Putz. Dazu recherchiert Putz in digitalen Bildarchiven (1) nach Abbildungen gefährdeter oder in Österreich bereits ausgestorbener Pflanzen. Die selektierten Bilddaten werden sodann bearbeitet und von der Benutzeroberfläche des Bildschirms oder Handys abfotografiert und als C-Prints belichtet. Sohin werden nicht nur die eigentlichen Motive, sondern auch die Oberflächen der verwendeten Kommunikationsmittel, auf denen die Künstlerin scrollt, wischt oder partiell in das Motiv hineinzoomt (samt deren Zustand – darunter Kratzer, Staub, Fingerabdrücke – sowie das auf ihnen auftreffende Blitzlicht), aber auch deren Steuerungselemente, die die Künstlerin während ihrer Arbeit verwendet, mit in das fertige Kunstwerk inkorporiert. 

    Neben diesen Found-Footage-Materialien beinhaltet die Serie Collected aus dem Herbarium der Botanischen Abteilung im Naturhistorischen Museum in Wien stammende, gleichsam „leere“ Papierbögen, auf denen seltene Pflanzen getrocknet und gepresst worden waren und die später ausgetauscht werden mussten und nun nur noch Spuren bzw. Indizien der hier einst bewahrten Pflanzen malerisch festhalten. Auf diese Weise untersucht Putz Themen wie Archiv, Erinnerung/Vergessen, Abbild/Reproduktion wie auch die Informationsaneignung in der digitalisierten Welt. 

    Auch Pixel, Cursor, die Materialität der Benutzeroberfläche selbst werden so Teil ihrer Bilder, sonst Unsichtbares wird konstant visualisiert. Gleichzeitig illustriert die Künstlerin damit auch ihre eigene künstlerische Praxis, mit der sie die Strukturen, die das moderne Dasein ausmachen, untersucht. Inhaltlich referiert sie dabei jedoch weniger auf das Archivarische als auf Prozesse menschlichen Erinnerns und dessen prozesshafte, wandelbare Struktur. Indem sich Putz – nur scheinbar unsystematisch, ständig suchend oder verändernd bzw anpassend ihren Arbeiten annähert, arbeitet sie wie das Erinnern. Dieses „…verfährt grundsätzlich rekonstruktiv: es geht von der Gegenwart aus und damit kommt es unweigerlich zu einer Verschiebung, Verformung … Umwertung, Erneuerung…“ (Aleida Assmann, Erinnerungsräume, 2018, 29). Die sowohl beim Entsperren, Wischen oder Hineinzoomen auf der Benutzeroberfläche entstandenen digitalen wie auch manuellen Manipulationen/Eingriffe der Künstlerin werden zu malerischen Gesten und bringen auf Basis der Spuren der ursprünglichen Bild- bzw Naturvorlagen neuartige Schöpfungen hervor. Bei Putz kollidieren so Vergangenheit und Gegenwart und werden in einem Einzelbild verdichtet. Dabei strebt die Künstlerin stets Mehrschichtigkeit bzw Komplexität an. Im Oszillieren zwischen unterschiedlichen Arbeitsweisen und Diskursen generiert sie ein subtil verwobenes System aus sich überlappenden Erzählungen. 

    Alexander Galloway stellte 2012 fest (A. Galloway, Software Takes Command, 2012), dass der Computer radikal mit der Definition von Medien (als Fenster zur Welt) gebrochen hätte. (2) Denn genau genommen agiere das Interface stets als Übergangspunkt/Reibungsfläche zwischen den medialen Schichten – als eine Art Gateway, das sich öffnet und den Übergang zu einem anderen Ort ermöglicht. Als Interface markiert das Display/die grafische Benutzeroberfläche dabei die Grenze von Technik und Umwelt, indem es stets zwischen den beiden Welten jongliert und diese durchmischt. Vor allem jedoch erlaube uns Software mithilfe von Maschinen zu agieren. Denn das Interface sei eben kein Ding, sondern eine Praxis! Das Digitale mache uns – entgegen der konsumistischen Passivität zB eines Museumsbesuchers – zu aktiven Nutzern. Doch je stärker Geräte ihre eigene Funktionsweise auslöschen, desto effektiver seien sie. In gewisser Weise ist eine Schnittstelle daher nur eine Schnittstelle, wenn sie unsichtbar ist. Im Grunde sind Putz‘ Arbeiten vor allem auch eine Meditation über die Schnittstelle selbst.

    Nach dem Belichten werden die C-Prints von der Künstlerin erneut – dieses Mal manuell – bearbeitet, indem sie einzelne Partien ausschneidet und neu zusammenfügt. Putz‘ Bilder geben daher nicht mehr die Realität wieder, stattdessen absorbieren sie deren Versatzstücke gewissermaßen und stellen sie gleichsam transformiert neu zur Schau. (Roland Barthes spräche von Simulacrum.) Es entstehen Abbildungen, die den Originalen zwar ähneln, sie aber nicht kopieren, sondern auf darüberhinausgehende Diskurse verweisen. 

    (1) Der gesellschaftliche Auftrag von Archiven liegt in der „Konservierung-, Ordnungs- und Erschließungsfunktion“ von materiellen Überresten vergangener Epochen, zu denen wir den unmittelbaren Bezug verloren haben, „dem obsolet und fremd gewordene[n]“ (Vgl Aleida Assman, Archive im Wandel der Mediengeschichte, 2009, 173 und 137) 

    (2) Parallel führt Klaus Honnef aus, dass eine Fotografie per se nie ein bloßes „Duplikat“ des Abgelichteten sein kann, sondern immer schon als Zeichen zu verstehen ist, als eine „von der Wahrnehmung abgeleitete Abstraktion.“ (Honnef, Kunstforum International, Bd 41, 1980, 210)

    Ausstellungsansichten - Anna Ignatovich, Courtesy Vienna Collectors Club